Rundbogen trifft Fischgrät
Im präzisen Fischgrätverband legt sich der Backstein um den an friesische Gulfhäuser erinnernden Neubau. Die regionaltypische Fassade rahmt und betont die kreisrunden Öffnungen, die von Torbögen der chinesischen Kultur inspiriert sind, welche traditionell mit dem Vollmond in Verbindung gebracht werden. Vielleicht ist es die Kombination dieser unterschiedlichen Bezüge, die dem Haus am Deich seinen zeitlosen Zauber verleiht. Architekt Thomas Kröger beschreibt in seinem Gastbeitrag die Handwerkskunst und interdisziplinäre Teamarbeit, die in dem Gebäude stecken.
Historische Anleihen
Die Typologie der historischen Gulfhäuser hat uns die Positionierung und Gewichtung unserer Fassadenöffnungen nahegelegt. Diese fanden ihren Ursprung in rein funktionalen Aspekten bei der Organisation des Grundrisses. Beim Durchfahren der zumeist dreischiffigen Scheunenanlagen, die aus einem hölzernen Ständerwerk beschaffen sind, war die Mitte für die auf dem Boden zu lagernde Ernte freizuhalten. Hier bot sich die volle Höhe des Hauses an, um den Lagerraum zu maximieren.
Das Tor wurde also deshalb von der Mitte auf die Seite geschoben. Da wir bei unserem Haus inklusive des Dachspitzes drei Etagen haben, aber nur zwei an den jeweiligen Fassaden zeigen wollten, ging es auch um die Geometrie des Giebelfensters. Die Form des Kreises liegt hier nahe, auch um es größtmöglich in die rechtwinklige Dreiecksform des Giebels einzupassen. Es ist aber auch historisch verbucht, zum einen als Dachspitzfenster, zum anderen als Halbrundfenster mit Verzierungen im Motiv einer aufgehenden Sonne. Damit war schnell klar, dass die Kreisform auch im Erdgeschoss als große Form angelegt werden sollte. Die historischen Tore sind oft in der Form eines Korbbogens gemauert.
Neue Interpretation von Form
Wir waren aber auf der Suche nach einer Übersetzung und Vereinfachung klassischer Formensprachen, auch in Bezug auf die unmittelbare landschaftliche Schönheit der Ausblicke. Dem Haus wurde somit aus der allzu traditionellen Formensprache geholfen, da eine aus einem fernen Kulturkontext geliehene Toröffnung zitiert wurde: das chinesische Moon Gate, also Mondtor.
Details mit Effekt
Der Bogen wurde vor Ort geschalt und betoniert. Während der Bauzeit gaben die beiden hintereinanderstehenden Betonringe bereits eine erste Vorstellung davon, wie die Landschaft später einmal von den großen, runden Fenstern gerahmt werden würde. Das wurde nicht nur auf Bauherrenseite mit großer Vorfreude bestätigt. Nach dem Ausschalen wurde mit dem Mauerwerk begonnen. Der Verband des Vormauerziegels bildet die Höhe des Betonringsturzes im strahlenförmig gemauerten Ziegelsturz exakt ab. Dieses gleiche Maß haben wir auch für das kleinere Rundfenster im Giebel beibehalten und um das Fenster geführt, obwohl hier das Maß des halbkreisförmigen Betonsturzes kleiner ausfiel. Die Fugen sind, bedingt durch den kleineren Radius, etwas stärker gespreizt, aber ansonsten gehören die beiden kreisförmigen Öffnungen zusammen. Einen schönen Nebeneffekt des Fischgrätverbandes hat das hinter dem Vormauerwerk liegende Badezimmerfenster im Erdgeschoss mitbekommen. Hier haben wir in zwei Reihen jeden dritten Stein für die verborgene Belüftung und Belichtung des Badezimmers ausgespart, was den Verband nochmals textiler wirken lässt.
Wiederbelebung friesischer Tradition
Die Verbände wurden von uns zwar für jede Fassadenseite in Gänze gezeichnet, aber am Ende ist es der handwerklichen Kunst und dem Gespür der Ausführenden überlassen, die Zeichnung bestmöglich umzusetzen. Da es sich nicht um Vorfertigung handelt, ist man auf gute Handwerker vor Ort angewiesen. Und wir hatten großes Glück mit unserem engagierten Bauunternehmer. Als wir die Option des Fischgrätverbandes am Giebel besprachen, lachte er zunächst und winkte ab. Denn es gab zu viele Gründe, die zunächst gegen die Umsetzung sprachen. Er sagte: zu aufwendig, zu viel Gefahr, aus dem Lot zu geraten und am Ende ein schlechtes Ergebnis auf der Hauptfassade zu präsentieren. Mir blieb nichts übrig, als von der Präzision der friesischen Giebel und der hohen Handwerkskunst ihrer Schmuckverbände am Ortgang zu schwärmen, um dann festzustellen, dass man diese heute mit allen Normen und Anforderungen wahrscheinlich handwerklich nicht mehr beherrsche. Da war sein Ehrgeiz doch entfacht: Eine Woche später rief er an und präsentierte Fotos einer eigens erstellten großen Musterwand in Fischgrät. Ursprünglich, um zu beweisen, dass es nicht geht. Das Ergebnis war allerdings derart gelungen, dass wir uns mit den Bauherren sofort einig waren, es wagen zu müssen.
Monochromie in Ziegelrot
Zusammen mit dem Klinkerhersteller, der uns enorm bei unserem ersten Klinkerbau unterstützt hat, waren wir nun gefordert, Formsteine zu präzisieren und Farbabstimmungen vorzunehmen. Die Fassadenklinker haben wir in der Dachpfannenfarbe brennen lassen, um ein möglichst monochromes Bild des Baukörpers zu erzeugen. Die Traufdetails sind so ausgebildet, dass wir in Abstimmung mit den Bauherren in Gänze auf eine klassische Dachentwässerung via Rinne und Fallrohr verzichtet haben. Die kiesigen Böden an den Traufseiten nehmen das vom Dach abtropfende Wasser gut auf, und je nach Stärke des Regens bildet sich ein Fallbogen. Das ist nicht nur schön anzusehen, es hilft auch, detailarm zu bauen. Der Ziegel steckt die zusätzliche Belastung durch das Spritzwasser an der Fassade problemlos weg.
Thomas Kröger