Qualität und Quantität
Im Wohnungs- und Siedlungsbau spielt Kosteneffizienz – gerade im Hinblick auf die späteren Mietpreise – eine signifikante Rolle. So durften die Baukosten der von biq standsontwerp realisierten Wohnblöcke in Langerak maximal 650,- Euro/m² betragen. Wie konnte das Großprojekt – trotz seiner architektonischen Qualität – zu einem derart niedrigen Quadratmeterpreis realisiert werden?
Leidsche Rijn, westlich von Utrecht gelegen, ist eines der größten Stadterweiterungsgebiete in den Niederlanden. Auf einer Fläche von 2.100 Hektar sollen bis 2025 etwa 30.000 Wohnungen für 80.000 Einwohner entstehen. Zum Programm gehören zwar auch Büro- und Geschäftsflächen, aber der Großteil der Stadterweiterung, deren Realisierung 1997 begann, besteht aus Wohnungsbauten für Pendler, die in Utrecht oder anderen Städten in der Umgebung arbeiten. So auch das Teilgebiet Langerak, in dem sich hauptsächlich kleinmaßstäbliche Reihenhäuser finden. Nur entlang der Hauptachse stehen einige größere Wohnblöcke.
Zwei solche Wohnblöcke mit insgesamt 240 Wohnungen hat biq stadsontwerp am östlichen Ende der Achse realisiert. Die beiden Blöcke, getrennt durch einen Grünstreifen, sind beinahe identisch: Über einem Sockel mit Hochparterre erheben sich zwei hohe Baukörper, die jeweils einen niedrigeren, dreigeschossigen Bauteil flankieren. Während die beiden äußeren Baukörper jeweils sechs Geschosse hoch sind, zählt – als einziger von außen erkennbarer Unterschied zwischen den beiden Türmen – einer der beiden inneren Türme sieben und der andere acht Geschosse. Beide Gebäude haben eine U-förmige Grundform, die zur Hauptstraße hin geschlossen ist und sich zum dahinter liegenden Wohngebiet hin öffnet. Auffällig ist ihre monolithische, beinahe monumentale Ausstrahlung, aber auch die Allseitigkeit der Wohntürme.
In einem der beiden Gebäude befinden sich 116 Mietwohnungen für den freien Markt, im anderen liegen 124 soziale Mietwohnungen. Die Baukosten waren mit 650 Euro pro Quadratmeter (netto) äußerst niedrig – und zwar auch für die Niederlande, wo ohnehin sehr günstig gebaut wird. Im Durchschnitt muss man im Geschosswohnungsbau derzeit mit etwa 1.000 Euro pro Quadratmeter rechnen. Die niedrigen Preise sind auf Normierung, Rationalisierungsmaßnahmen, geringere Anforderungen in einigen Baunormen (z.B. ein minimaler Wärmedurchgangswiderstand für Fassaden von 3,5), aber auch auf geringere Ausbaustandards zurückzuführen. Zu Letzteren gehört, dass Neubauwohnungen in den Niederlanden keinen schwimmenden Estrich haben, einen Spritzanstrich anstelle von Tapete erhalten, nicht unterkellert werden, häufig nur über ein einfaches Duschbad verfügen und die Türen keinen Sturz, sondern raumhohe Zargen haben. Die größten Kostendämpfer beim Projekt in Langerak waren jedoch die halb versenkte Tiefgarage, die eine natürliche Ventilation ermöglicht und – was noch wichtiger ist – über dem Grundwasserspiegel liegt, und natürlich die Schottenbauweise mit Längswänden und Decken aus Beton und einer Leichtbaufassade mit massiver Vorsatzschale. Schottenbauweise ist in den Niederlanden die gängige Baumethode im Geschosswohnungsbau, allerdings gelingt es nur bei wenigen so großen Wohnblöcken, mit einem komplett einheitlichen Achsmaß auszukommen.
Als Fassadenmaterial wählten die Architekten Backstein. Was in manchen anderen Ländern angesichts der – kurzfristig kostengünstigeren – Realisierung steigender Energiestandards (Stichwort: WDVS) ungewöhnlich sein mag, ist in den Niederlanden noch immer beinahe selbstverständlich. Als traditionelles, dauerhaftes und kostengünstiges Material, beherrscht Backstein den niederländischen Wohnungsbau. „In den achtziger Jahren wurden in Holland viele soziale Wohnungsbauten mit Putzfassaden realisiert“, erläutert Hans van der Heijden, Mitbegründer von biq. „Seither ist Putz als Billigmaterial verschrien. Das Problem ist aber auch, dass wir in den Niederlanden einfach nicht daran gewöhnt sind, solche Fassaden regelmäßig zu reinigen und zu streichen. Backstein erfordert beinahe keinen Unterhalt und gilt außerdem als ortstypisch.“
In Langerak basieren beide Gebäude auf einem durchgehenden Raster von 7,50 Meter. Die Wohnungsgrundrisse in den niedrigen Bauteilen sind dementsprechend typische Standardlösungen, mit Laubengangerschließung, tageslichtlosen Bädern und Küchen im Wohnungsinneren und Aufenthaltsräumen an den Fassaden. In den Türmen befinden sich hingegen Sechsspänner, die aber ebenfalls mit dem Achsmaß von 7,50 Meter realisiert werden konnten. Die Gebäude grenzen beide direkt an den Straßenraum und erheben sich als monolithische Backsteinberge aus dem Pflaster. Während der Sockel und die Einfassungen der Eingänge aus grau-weiß melierten Normalformatsteinen gemauert wurden, wurde für die Hauptbaukörper ein ebenfalls melierter, sandfarbener Dickformatstein verwendet. Er ist hochkant im Halbsteinverband gemauert und wird in jedem Geschoss von einer Rolllage aus grauen Steinen unterbrochen, die die Horizontalität der Loggien und Fensterbänder verstärkt. Fensterrahmen, Türen, Klingelpaneele und Geländer sind in braun eloxiertem Aluminium ausgeführt, das einen wirkungsvollen Kontrast zum rauen Backstein bildet.
Insgesamt ist es den Architekten gelungen, den Gebäuden trotz geringer Baukosten eine sehr hochwertige Ausstrahlung zu verleihen. Das Gebäudepaar erscheint monumental, massiv und urban – keinesfalls jedoch billig. Zu verdanken ist das nicht nur dem cleveren Einsatz der standardisierten Baumethoden, sondern auch der Kombination eines geradlinigen, rüschenlosen Konzepts mit robusten, dauerhaften Materialien und einer zurückhaltenden Farbpalette.