Mineralische Akustik
Klinker ist der ideale Schallwellenbrecher. Für außergewöhnliche Ansprüche an die Raumakustik wurde diese Eigenschaft noch optimiert: Beim sogenannten Akustikklinker ist der Lochflächenanteil besonders hoch. In seinem Gastbeitrag beschreibt der Akustiker Martin Lachmann, welche Rolle dieser Klinker für den Raumklang sowie das gestalterische Gesamtkonzept im Neubau der Musikhochschule Luzern spielt.
Der Neubau einer Musikhochschule stellt naturgemäß hohe Anforderungen an die akustische Qualität vieler Räume. Während sich mineralische Baustoffe wie Beton oder Backstein auf Grund ihrer hohen Masse und Steifigkeit prinzipiell für Bauakustik, den Schallschutz, eignen, sind derartige Materialien für den raumakustischen Innenausbau eher untypisch. Für die Architekten der neuen Musikhochschule Luzern, das Büro Enzmann Fischer Partner AG aus Zürich, war aber die mineralische Erscheinung der inneren Raumhüllen ein zentrales Gestaltungselement, insbesondere für die Blackbox, den großen multifunktionalen Konzertsaal, und für den Jazzclub – beides Räume, die auch der Öffentlichkeit für Konzerte zugänglich sind. Die Akustikplaner standen also vor der Herausforderung, mit einer eher untypischen Materialisierung eine besonders hochwertige Raumakustik zu planen.
AKUSTISCHES PUZZLE
Musikräume, ob für die Ausbildung oder für Aufführungen, sollen außergewöhnlich gut klingen. Das heißt, dass sie einerseits den funktionalen Ansprüchen an die Akustik wie angenehmer Lautstärke oder guter Hörbarkeit von Stimmen und Instrumenten genügen müssen, darüber hinaus aber auch ein hohes klanglich-ästhetisches Niveau haben sollen. Dafür muss zum Beispiel der Charakter des Nachhalls in allen Tonlagen, also von den Bässen bis zu den Höhen, gestaltet werden. Leider liegt es in der Physik der Akustik begründet, dass es kein Material gibt, welches den Klang bei allen Frequenzen gleichmäßig absorbieren oder streuen kann. So ist der akustische Innenausbau eines Musikraumes immer ein akustisches Puzzle aus verschiedenen Maßnahmen. Ein solches Patchwork aus verschiedenen Materialien deckt sich aber naheliegender weise meist nicht mit den gestalterischen Ansprüchen von Seiten der Architektur. Darum ist die Planung von anspruchsvollen Musikräumen immer ein intensives Wechselspiel zwischen Architektur und Akustik. In vielen Schritten nähert man sich einem Konzept, welches schlussendlich das gestalterische Ganze und das akustische Chaos zu vereinigen mag.
BLICK IN DIE VERGANGENHEIT
Auf der Suche nach geeigneten mineralischen Materialien für den Innenausbau der zwei Säle in der neuen Musikhochschule lohnte sich, wie so oft, ein Blick zurück. So findet man beispielsweise bei zahlreichen öffentlichen Bauten aus der Zeit von circa 1930 bis 1960 akustisch wirksame Wände, für die Backsteine mit der gelochten Seite nach außen vermauert und die mit einer Dämmung hinterlegt wurden. So entsteht eine gelochte Wand mit schallabsorbierender Wirkung. Heute trifft man solche Akustikklinker eher im Außenraum, zum Beispiel bei Lärmschutzwänden, an. Es wird eine große Palette von verschiedenen Steingrößen, Lochmustern und Oberflächenausführungen angeboten, sodass auch für den Innenausbau attraktive Typen zur Verfügung stehen.
DIE ENTKOPPELTE BLACKBOX
Die Blackbox im Neubau der Musikhochschule Luzern ist ein großer, multifunktionaler Saal, welcher sowohl für Proben als auch für Konzerte oder multimediale Aufführungen genutzt wird. Auf Grund der hohen Schallschutzanforderungen ist er als Raum-im-Raum- Konstruktion vom Rest des Gebäudes entkoppelt. Die massive Hülle des Saals wurde vor Ort aus großen, vorgefertigten Betonelementen gefügt. Bei einigen dieser Wandelemente wurden bei der Produktion im Werk Silikonmatrizen in die Schalung eingelegt, wodurch und eine besonders schallstreuende Oberfläche erzeugt wurde. Die schallabsorbierenden Wandflächen des Raumes wurden mit den Akustikklinkern mit hinterlegtem Dämmstoff ausgeführt. Für die Kontrolle der tiefen Frequenzen sind zusätzlich Akustikelemente mit schwingfähigen Membranen nötig. Diese wurden als Holzkonstruktionen realisiert und finden sich vor allem im oberen Bereich des Saales, an den Längswänden und an der Decke.
ALL THAT JAZZ
Der Jazzclub Knox ist wohl der öffentlichste Raum der Hochschule, finden dort doch fast täglich Konzerte statt. Eine Bar und viele andere Features sorgen für die typische Jazzclubatmosphäre. Bei diesem Raum wurden praktisch alle Wandflächen mit dem für die klanglichen Anforderungen optimierten Klinker ausgeführt, wobei dieser zwei verschiedene akustische Aufgaben erfüllt. Einerseits sorgt er, wie in der Blackbox, durch die hinterlegte Dämmung in gewissen Wandbereichen für die nötige Schallabsorption der mittleren und hohen Frequenzen, andererseits fungiert er als Filtermauerwerk für dahinterliegende Akustik-Spezialelemente, welche die Absorption der tiefen Frequenzen übernehmen. Die Wände aus Akustikklinker vermögen also in diesem Raum auf interessante Weise den architektonischen Anspruch an eine homogene Erscheinung mit der Anforderung an verschiedene akustische Charakteristika zu vereinen.