In Material gedacht
Ein Buch über die Materialität der Architektur? Ist das nicht zu theoretisch? Zu fachspezifisch für ein breiteres Publikum? Sollte man meinen, in diesem Fall allerdings eher nicht. Der Herausgeberin und Editorin Uta Graff – sie leitet den Lehrstuhl für Entwerfen und Gestalten an der Technischen Universität München – gelingt es, das Buch lebendig zu halten, indem sie drei Architekten ausführlich zu Wort kommen lässt.
Zentrales Thema des in der Edition Detail erschienenen Buches ist die Materialität der Architektur im Prozess des Entwerfens. Graff wirft Fragen wie diese auf: Wann entsteht die Vorstellung für die Materialität einer Architektur? Welche Rolle spielen dabei der Kontext und seine materielle Prägung? Hat die Typologie eine Auswirkung auf die materielle Ausformulierung von Bauwerken? Welche Relevanz kommt der Nutzung für die Wahl eines Materials zu? Wird die Alterungsfähigkeit von Materialien im Entwurf mitgedacht? Und kann das Licht als Material verstanden werden?
Visualität und Haptik
Solche Fragen prägen den Entwurfsprozess von Bauten. Allerdings stellt sich noch eine weitere Frage: Wie steht es in Zeiten fortgeschrittener 3D-Planungen um das Verhältnis von Visualität und Haptik? Die Modelle und Zeichnungen der Entwürfe stehen in dem Buch im Wechsel mit teilweise ausführlichen Beiträgen der Architekten Andreas Bründler, Piero Bruno und Thomas Kröger.
Haus am Deich
Vor allem der Berliner Architekt Thomas Kröger weckt dabei unser besonderes Interesse: Mit seinem Haus am Deich in Ostfriesland gewann er im vergangenen Jahr den 1. Preis beim Wettbewerb „Häuser des Jahres“ des Callwey-Verlags sowie des Deutschen Architekturmuseums. Das in Backstein gehaltene, sogenannte Gulfhaus – ein traditioneller Bauernhaus-Typus der Region – in der kleinen Gemeinde Ostrhauderfehn stieß auf große Begeisterung.
Auf die Farbe reduziert
Kröger berichtet im Buch von den Besonderheiten des Ortes und davon, dass man für das modern interpretierte Bauernhaus keine aufwendigen Renderings, sondern einfache, auf die Farbe reduzierte Darstellungen angefertigt habe. „Die Farbe stand sozusagen als Inbegriff für das Material“, sagt Kröger. Man habe sich für die gleiche Farbe von Wand- und Dachziegeln entschieden, um dem Gulfhaus die Erscheinung eines Monolithen zu geben.
Interaktion
Und es geht um den Prozess des Zusammenfindens von Bauherren und Architekt, um unterschiedliche ästhetische und mentale Voraussetzungen, die man zusammenbringen musste. Thomas Kröger schildert dies als spannende Interaktion, an deren Ende eine architektonische Lösung stand, die alle glücklich machte.
Fazit:
Das Buch „In Material gedacht“ dokumentiert anhand langer Gespräche mit Architekten, wie vielschichtig und auch mühsam der Prozess des Entwerfens mitunter ist. Es zeigt, wie Gedanken und Ideen durch Skizzen und Modelle, aber auch durch moderne Visualisierungen in eine bestimmte Form gebracht werden. Uta Graff (Hrsg.) In Material gedacht Verlag: Edition Detail 160 Seiten mit farbigen und schwarzweißen Abbildungen deutsch- und englischsprachige Ausgabe Soft-/Flexcover Euro 34,90 ISBN 978-3-95553-464-6