Frauenpower in der Bauwelt
Die Einreichungen zum Fritz-Höger-Preis für Backstein-Architektur aus aller Welt belegen es: Das weibliche Element ist stark vertreten in den Planungsteams. Doch 100 Jahre, nachdem die Bauhaus-Bewegung den Weg für Frauen in der Architektur geebnet hat, stehen sie noch immer selten im Mittelpunkt. Star-Architektinnen wie Zaha Hadid sind eine Ausnahme in der Szene. Das soll sich ändern, meinen die Organisatorinnen des derzeit in der Hauptstadt laufenden Festivals „Frauen in der Architektur“ – WIA Berlin.
Viele Architektinnen – wenig Präsenz
Das Beispiel Architektenkammer Berlin zeigt: Zwar steigt der Anteil von derzeit ungefähr einem Drittel weiblicher Kammermitglieder kontinuierlich weiter – bei den Studierenden sind es schon seit Jahrzehnten über 50 Prozent. „Die Architektinnen sind insgesamt aber medial noch längst nicht so präsent“, gibt Christine Edmaier, Präsidentin der Architektenkammer Berlin, zu bedenken. Mit der Premiere des WIA-Festivals wollen Architektenkammer sowie das Berliner Netzwerk von Planerinnen n-ails e.V. die Diskussion darüber befeuern und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Noch bis zum ersten Juli läuft der Veranstaltungsreigen, bestehend aus Ausstellungen, Filmreihen, Führungen, Symposien, Vorträgen sowie Workshops an verschiedenen Orten in Berlin.
Von Vielfalt und Chancengleichheit
Schirmfrau des Festivals ist Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin. Sie weiß, warum es so wichtig ist, die Rolle der Frauen in der Architekturszene zu stärken: „Frauen aus der Fachwelt, der Gesellschaft und der Politik haben Jahrzehnte dafür gekämpft, dass Städte so geplant werden, dass sie für unterschiedlichste Menschen in verschiedensten Lebensphasen aus diversesten sozialen und kulturellen Hintergründen lebenswert sind. Dabei richteten die women in architecture ihr Hauptaugenmerk zunächst auf Frauen und ihre erhöhten Sicherheitsrisiken und -bedürfnisse im öffentlichen Raum. Sie ebneten damit Akteurinnen und Akteuren den Weg, die Gesellschaft als divers und Stadt als soziale Bühne zu begreifen. Der Erfolg heutigen und künftigen Planens und Bauens muss daran gemessen werden, in welchem Maß Projekte die Vielfalt an Lebensentwürfen ermöglichen oder sogar fördern. Das Geschlecht der Autorenschaft sollte dabei keine Rolle – mehr – spielen. Aber eins ist klar und noch nicht erreicht: Frauen gehört Chancengleichheit auf allen Handlungsebenen.“
Hindernisse aus dem Weg räumen
Edmaier kann das nur unterstützen: „Es gilt, die Sichtbarkeit der vielen aktiven Frauen in Architektur und Stadtplanung zu verbessern und Hindernisse im Berufsalltag aufzuspüren. Unter anderem sind anonyme, offene Wettbewerbe ein Garant für mehr Chancengleichheit.“ Genau hier setze das Festival an: „Die Architektenkammer Berlin verbindet damit das Anliegen, den offenen Diskurs über aktuelle Berufs- und Rollenbilder in unserer Gesellschaft zu fördern und herauszufordern. Von allein bewegt sich nichts. WIA 2021 soll verändern!“ Vor allem brauche es ein neues Bild von den Planungsberufen, meint Hille Bekic, Vorstandsmitglied Architektenkammer Berlin und Mitglied bei n-ails: „Mehr kollaborative statt hierarchischer Arbeitsweisen, mehr Beteiligungsverfahren statt Top-Down-Planung und Geniekult, das Verschränken von Themen statt rein technischer Lösungen, Diversität verinnerlichen – das alles zeichnet uns Frauen schon lange aus.“ Grundvoraussetzung sei, dass die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit auch in Planungsbüros Einzug finde.
Netzwerken und Flexibilität
Was die Frauen selbst dazu beitragen können, ihre Lobby zu stärken, erläutert Elke Duda, WIA-Koordinatorin und Mit-Gründerin von n-ails: „Eine bessere Vernetzung ist sehr wichtig, so dass Frauen sehen, dass viele Planerinnen ihren ganz individuellen Weg finden und sich gerade durch feminine Qualitäten platzieren können sowie im beruflichen Wirkungskreis Reichweite durch Netzwerken und Flexibilität erlangen.“ Ihr Fazit: „Die Baustelle Gleichstellung ist komplex und bedarf der Beteiligung vieler Mitstreiter*innen aus der Baukultur.“