Corporate Design in Stein
BERLIN. Das Bestreben, Architektur als Ausdruck der Markenidentität zu sehen und Unternehmensgeschichte (fort-)zuschreiben, hat Tradition. „Signature Buildings” machen den Firmensitz selbst zum Marken-Tool. Unverzichtbares Material dieser Corporate Identity in Gebäudeform: der Backstein als Inbegriff der Solidität und Dauerhaftigkeit.
Eine Frage der Repräsentation
Ihren Anfang nahm diese Form der „Firmenkultur“ Mitte des 19. Jahrhunderts, als die damaligen Gründerväter prosperierender Firmen Elemente der Herrschaftsarchitektur auf ihre Produktionsstätten übertrugen. Alles eine Frage der Repräsentation: Mit Hilfe neuer und verbesserter Werkstoffe wie Eisen, Glas, Beton und Stahl wuchsen glitzernde Firmen-Paläste in immer neue Höhen und mächtige Unternehmens-Campusse in ungeahnte Breiten. Doch egal, welche Moden die Industriearchitektur durchlief: Der Backstein behauptete sich stets mühelos im Reigen der Baumaterialien. Bis heute hat der Archetyp des Backstein-Industrietempels an Faszination nicht eingebüßt. Im Gegenteil, als Zeichen von Solidität und Dauerhaftigkeit im gebauten und übertragenen Sinn steht er hoch im Kurs. Drei Beispiele zeigen, wie historische Gebäude gekonnt den Spagat zwischen Baugeschichte und modernen Arbeitswelten bewältigen und neue Firmensitze außerhalb wie innerhalb der Stadt mit traditionellen Bezügen zeitgemäß und vorausschauend auf die heutigen Anforderungen reagieren.
Hybrid im Klinkerkleid
Der Name ist Programm: „Brick“ nennt sich das Givaudan Business Centre im schweizerischen Kemptthal, verkehrsgünstig zwischen Winterthur und Zürich gelegen. Es gehört zu den Herzstücken auf dem knapp einen Kilometer langen Areal, wo vor gut 150 Jahren Julius Maggi begann, die Mühle seines Vaters in ein weltumspannendes Imperium für Speisewürze und Fertigsuppen zu verwandeln. Der jetzige Betreiber Givaudan ist in der Aromabranche tätig, vom ursprünglichen Geschäft also gar nicht weit entfernt. Die Planenden des Architekturbüros Ernst Niklaus Fausch Partner (Zürich), die zunächst den Masterplan für das gesamte Ensemble entwickelt und dann die Büros für 200 Mitarbeitende eingerichtet haben, knüpfen an die Tradition an: Sie stockten ein Produktionsgebäude aus den 1930er Jahren auf, übernahmen dabei sowohl die statische wie die Raumstruktur des Altbaus als auch dessen markantestes gestalterisches Element, den Klinker. Wo er an der ehemaligen Suppenabfüllerei und Kistennaglerei noch als helles, liegend gemauertes Fassadenkleid auftritt, hüllt er die doppelgeschossige Aufstockung, eine Holzkonstruktion, mit hochkant gestellten, rotbraunen Steinen ein. Das erklärte Ziel war, die „industrielle Vergangenheit und neue Arbeitswelten in Einklang zu bringen“, betont Bertram Ernst. Auch städtebaulich passt sich der Hybrid aus Alt und Neu weiterhin harmonisch in die industriell geprägte Nachbarschaft ein. Innen wurde der Charakter der Produktionshallen erhalten und zugleich technisch wie räumlich modernster Bürostandard ermöglicht. Das Gelände befindet sich noch mitten in der Neuerfindung – mit gastronomischen und Freizeiteinrichtungen ist der reizvolle Zusammenklang aus historischer Backsteinarchitektur und Neubauten auch für die Öffentlichkeit erlebbar.
Zwischen Kaffee- und Architekturgenuss
Vom Stammhaus, in dem Johann Jacobs 1914 eine Kaffeerösterei nebst Verkauf eingerichtet hatte, ist zwar kein Stein mehr übrig. Dennoch hat der neue, nach dem Gründer benannte Hauptsitz in Bremens Altstadt es geschafft, eine sensible Brücke zwischen gestern und heute zu schlagen. Besser gesagt: die in Berlin ansässigen Architekten Felgendreher Olfs Köchling, die mit profunder Ortskenntnis und analytischem Blick einen Stadtbaustein entworfen und realisiert haben, von dem nicht nur die Nutzer, sondern auch die ganze Umgebung profitieren. Bremen, Weserrenaissance, hanseatisch-sachliche Noblesse – da bot es sich an, mit Backstein weiterzubauen. Und so ist die gesamte Stahlbetonstruktur mit einem kaffeebraunen Klinkerkleid versehen. Es zieht sich auch über die Rücksprünge, die wiederum geschickt die Traufkanten und Giebel der benachbarten Häuser aufnehmen. Da das Haus dreiseitig freisteht, hat der Backstein einen großen Auftritt. Mit dieser modernen Interpretation eines Kontorhauses gibt der Urgroßneffe der Firmenphilosophie des Gründers, nämlich höchstwertigen Kaffee anzubieten, einen zeitgemäßen Rahmen. Im abstrahiert-traditionellen Gewand ermöglicht das Haus mit hohen, stützenfreien Räumen, fließenden Grundrissen und großflächigen Fenstern zudem auf allen Etagen ein luftiges Nebeneinander aus Verkauf, Schulung, Zubereitung und Verwaltung. Das Johann Jacobs Haus ist der Auftakt eines umfassenderen Stadtumbaus und übernimmt damit auch Verantwortung über die eigenen Geschäfte hinaus.
Viel Platz für eine moderne Burg
So manche Rezension brachte Verwunderung zum Ausdruck: An denkbar unattraktiver Stelle ist eine umso ansprechendere Verwaltungszentrale entstanden. Die Drogeriekette dm hat weidlich genutzt, was an der Karlsruher Peripherie zwischen Autolärm und Acker in Hülle und Fülle vorhanden war – nämlich Platz. Das Unternehmen stellt nach eigenem Bekunden den Menschen in den Mittelpunkt und hat 1800 zuvor verstreut angesiedelten Mitarbeitenden hier eine zeitgemäße und sinnliche Arbeitsstätte geschaffen. Lederer Ragnarsdóttir Oei LRO aus Stuttgart haben sich dafür eine zwischen moderner Burg und Backsteinexpressionismus changierende Architektur ausgedacht, vollständig eingehüllt in ein helles, gelblich-rotes Ziegelgewand. Weißgefasste Guckkastenfenster und ebenfalls weiße Stahlgerüste mit Balkonen und Sonnenschutz sowie allseits geschwungene Fassaden nehmen dem umfangreichen Volumen jede Trutzigkeit. Ein ebenfalls backsteinverkleideter, flügelförmiger Auswuchs an der Westseite, ein typisches LRO-Element, scheint die Ankommenden regelrecht in die Arme schließen zu wollen. Typisch für das Büro ist auch, dass die Gebäudehülle aus Abbruchsteinen besteht. Drinnen geht es freundlich und beschwingt weiter: Weiße Wände und Decken, helles Holz, mäandrierende Flure, große Fenster zu den sieben begrünten Innenhöfen bestimmen die Atmosphäre. Dem Bau gelingt es, Firmenarchitektur mit traditionellem Material und lebendigen Räumen neu zu interpretieren. Er schafft auch ohne 1-a-Lage eine unverwechselbare Adresse.
Ein Platz für gutes Arbeiten
Drei Projekte an ganz unterschiedlichen Standorten mit ganz unterschiedlichen Anforderungen. Dennoch gelingt es dem Baustoff Backstein stets, die Botschaft virtuos zu übermitteln: „Das ist die Welt unserer Marke – und sie hat Bestand.” Wenn es um Architektur als Statement geht, dann spricht Backstein eine deutliche Sprache.