Tradition

Backstein-Zwillinge der Goldenen Zwanziger

Die beiden Privathäuser Haus Lange und Haus Esters in Krefeld gehören zu den architektonischen Denkmälern des Neuen Bauens. Entworfen und gebaut hat das Ensemble der Architekt Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969) in den Jahren von 1927 bis 1930.

Haus Esters ist eines der Privathäuser, die Mies van der Rohe in den 20er-Jahren in Backstein entwarf und baute.

Die Architektur der 1920er-Jahre ist in Deutschland geprägt von zwei Strömungen: dem Backsteinexpressionismus und dem Neuen Bauen. Während erstere Stilrichtung unübersehbar mit dem Baustoff Backstein in Verbindung gebracht wird, denken die meisten bei Bauhaus vor allem an die neuen Werkstoffe Eisen, Glas und Beton. Doch immer wieder schätzten auch die Großen der „sachlichen Architektur“ den Backstein in seiner Einfachheit. Nicht zuletzt wegen seines häufig zitierten Ausspruchs „Architektur beginnt, wenn zwei Backsteine sorgfältig zusammengesetzt werden“ steht der Name Ludwig Mies van der Rohe und damit eines der einflussreichsten Architekten der Moderne für Backsteinarchitektur. Für ihn war die kubische Geometrie des Backsteins Inbegriff der Rationalität und Vernunft, die im Kern der neuen Ideenschule stehen.

Gartenseitig wird die scheinbar massive Backsteinwand von Haus Esters von großen Fenstern durchbrochen.

Gebaute Weltanschauung

Folgt man der These „Architektur ist gebaute Weltanschauung“, lassen sich in der Wahl der Materialien und Formen einige Ideen der Neuen Sachlichkeit herauslesen. Die Form der Gebäude, insbesondere die Abwesenheit eines Satteldaches, kann als Ausdruck der Weltsicht verstanden werden: Architektonisch wird das Gebäude – entsprechend der Grundidee des Neuen Bauens, geometrisch einfache Gebäude zu schaffen – nicht durch ein Dach in Szene gesetzt. Die Dominanz der rechten Winkel stellt einen Bruch mit der traditionellen Bauweise dar. Sie stehen für menschliche Vernunft und damit auch für die neue Idee, dass die Welt eine zivilisierte ist, in der kein Schutz der Behausung notwendig ist.

Im Innenraum herrscht das Prinzip des Durchwohnens vor.

Liebe zum Detail

Die Fassade ist bei beiden Häusern durch Backstein, weiße Akzente in der Waagerechten und Makassar-Holz gekennzeichnet. Der Backstein mit seinem industriellen und robusten Charakter stellt einen Bezug zum Handwerk der Bauherren her. Verschiedene Holzarten und Weiß setzen sich innerhalb der Räume fort. Innenarchitektur und -design für die Böden, Lampen, Möbel und andere funktionale Gebrauchsgegenstände hat Mies van der Rohe in Zusammenarbeit mit Lilly Reich bis ins kleinste Detail gestaltet.

Heute werden beide Häuser von den Kunstmuseen Krefeld als Ausstellungsräume genutzt.