Zukunftsfähiges Eigenheim
Der Traum vom gartenumschlossenen Eigenheim ist fest verwurzelt in den Köpfen der Deutschen: „Deutschland ist ein Land der Ein- und Zweifamilienhäuser“, stellt das Umweltbundesamt fest. Und das Statistische Bundesamt schlüsselt auf, dass im Jahr 2020 von allen fertiggestellten Wohnungen 258.774 in Neubauten und davon wiederum 87.275 in Einfamilienhäusern entstanden sind – ein Zuwachs von 4,1 Prozent. Damit das Einfamilienhaus seine Attraktivität in Zeiten der Flächen- und Klimadiskussion bewahren kann, braucht es zukunftsfähige Konzepte mit energieeffizienten Baustoffen wie dem Backstein. Ein gelungenes Beispiel ist das „Active House“ im niederländischen Schiedam von KWA Architecten.
Neue Ansätze für höchste Ansprüche
„Bei der Entwicklung des ,Active House‘ waren wir Architekt, Kunde und Nutzer in einer Person“, sagt Reiner von Meiden, einer der Partner des Büros, der hier für sich und seine Familie hohe Ansprüche verfolgte. Denn: „Das gab uns die Möglichkeit, ein Projekt mit neuen Produkten, Gebäudeprinzipien und Arten der Energiegewinnung zu entwickeln.“ Seine Pläne setzte der Architekt in einem frisch erschlossenen Wohngebiet auf dem Gelände eines ehemaligen Krankenhauses um; 2016 zog die Familie in den 223 Quadratmeter umfassenden Bau ein.
Wo Mies van der Rohe Pate stand
Die klassische Moderne der 1920er-Jahre und auch die frühen Ziegelbauten von Ludwig Mies van der Rohe standen Pate: Das winkelförmige, klar konturierte Haus wirkt wie aus schlichten Kuben zusammengesetzt. Der Backstein als Hüllmaterial unterstützt den kantigen Auftritt. Er ist nach den Wünschen des Architekten eigens angefertigt: „Wir haben einen schönen, handgeformten Ziegel gesucht, hart und klar, der aber auch bei genauerem Hinsehen seine Wandelbarkeit zeigen sollte.“ Die Wahl fiel auf cremefarbene Wasserstrichziegel; sie sind im wilden Verband gemauert. Das und die sichtbaren Produktions- und Verarbeitungsspuren verleihen der Fassade Lebendigkeit und ein changierendes Farbspiel. Der Gesamteindruck ist dennoch angenehm unaufgeregt. Einen Ausreißer aus der ansonsten zurückhaltenden Gestaltung der Fassade erlaubte sich der Architekt jedoch: Der Abschluss unterhalb der Attika erfuhr eine Sonderbehandlung, indem jeweils drei vertikal und drei horizontal vermauerte Steine eine Art dreidimensionales Schachbrettmuster ergeben.
Backstein trifft Holz
Mit Backstein liegt man in Holland immer richtig. Auch in dieser Siedlung dominiert das Material, und so fügt sich das Haus unaufdringlich in die Umgebung ein. Gleichzeitig hat es aber einen eigenständigen Charakter, denn im Unterschied zu den meisten Nachbarn hat es ein Flachdach anstelle steiler, dunkel gedeckter Satteldächer und eine deutlich hellere Fassade. Hell und offen sollte das gesamte Haus sein; der Auftritt nach außen setzt sich im Inneren fort. Hier führt der Massivbau vor, wie gut Backstein mit dem Baustoff Holz harmoniert – eine Kombination, die sich seit Jahrhunderten in der Baukunst bewährt hat. Offensiv geht der Backstein der Außenhülle in den Innenräumen in Holz über, denn die eigentliche Struktur des „Active House“ besteht aus vorgefertigten Brettschichtholz-Elementen, die an Decken und Wänden sichtbar belassen wurden. Im Erdgeschoss finden sich keine Türen, was die Offenheit unterstreicht. Dazu tragen auch ganz erheblich die großen, im Erdgeschoss bodentiefen Fenster bei. Der Übergang nach draußen auf die weitläufige Holzterrasse und in den Garten erscheint fließend. Nach oben führt mittig eine Holztreppe, die den Ess- vom Wohnbereich trennt. Im ersten Stock wird der Grundriss mit Elternschlaf- und drei Kinderzimmern etwas kleinteiliger.
Überschuss an Energie
Viel Wohnkomfort bedeutet hier keinesfalls verschwenderisches Bauen, ganz im Gegenteil. Gemäß dem Konzept „Einfach Bauen“ sind Raumvarianten mit reduziertem Hüllenflächenanteil und optimierten Fensterflächen die optimale Lösung, um den Heizwärmebedarf zu reduzieren und vor Überhitzung im Sommer zu schützen. Genau hier knüpft das Gebäude an: Die Bauweise ist kompakt und das Verhältnis der Räume zur umgebenden Hülle ausgewogen. Geheizt wird mit Erdwärme, unterstützt von Solarpanelen auf dem Dach. Der passive Wärmeeintrag durch die dreifach verglasten Fenster ist hoch. Es gibt keinen eigenen Gasanschluss. Der Name „Active House“ ist Programm: Das Ziel war, mindestens so viel Energie zu erzeugen, wie verbraucht wird. Das erste Jahr zeigte bereits den Erfolg – es wurde ein Überschuss von 1.000 Kilowattstunden gemessen. Die Wahl der Materialien geschah nach strengen Kriterien: Die Baustoffe sollten möglichst ressourcenschonend hergestellt und langlebig sein, der Einsatz von Klebstoffen weitgehend vermieden werden. Den Auftakt macht der Backstein für die Gebäudehülle, ein ausgesprochen robustes, pflegeleichtes und wiederverwertbares Material. Das Holz für die Konstruktion stammt aus der Region, die Elemente können wiederverwendet werden.
Ein Einfamilienhaus mit Zukunft
Das Resultat ist kein luxuriöses, technisch hochgerüstetes „Smart Home“, sondern vielmehr ein Gebäude, das alle Säulen der Nachhaltigkeit in sich vereint. Es bietet Praktikabilität, Wohnkomfort und klimafreundliches Bauen zu einem bezahlbaren Preis von 281.000 Euro und zeigt damit idealtypisch auf, wie die Wohnform Einfamilienhaus sich auch unter sich verändernden Rahmenbedingungen zukunftsfähig am Markt aufstellen kann. Zudem hat das Haus seine Bewohner über die baulichen Merkmale hinaus zu einer klimaschonenderen Haltung im Alltag inspiriert: Konsequent hat die Familie ihr Auto abgeschafft. Mit einem angenehmen Nebeneffekt: Was ursprünglich eine Garage werden sollte, ist nun ein zusätzlicher Arbeitsraum, und dort, wo vorm klassischen Eigenheim üblicherweise der Carport thront, findet sich hier eine bunte Ansammlung von Fahrrädern.